NABU historisch: Werbeflugblatt des Bundes für Vogelschutz von 1912


Bund für Vogelschutz
30.000 Einzelmitglieder in allen Teilen Deutschlands,
sowie viele Behörden u. Vereine.

Der Bund für Vogelschutz (E.V.) ist der großzügige Sammelpunkt aller Freunde des Vogelschutzes geworden; überall, wo die Tätigkeit des Einzelnen versagt, hat die Tätigkeit des Bundes einzusetzen.

Massenhafte Verluste in der Vogelwelt bringen heutzutage die Gefahr der Ausrottung vieler Arten mit sich. Seit seinem Bestehen hat der Bund daher den Kampf aufgenommen gegen die Vernichtung großer Mengen von Vögeln, sei es nun zu Genußzwecken (Krametsvogelfang, Helgoland, Italien) oder zu Modezwecken (Reiher, Kolibri, Paradiesvogel, Seevögel) oder endlich an kulturellen Neuerungen (Leuchttürme, elektrischen Leitungen). Große Erfolge dürften erzielt werden.

Viel schwieriger zu bekämpfen sind jedoch andere Schädigungen: Die moderne Kultur entzieht durch die zunehmende Ausnützung des Brachlandes, durch einseitigen Anbau der wirtschaftlich günstigsten Pflanze, durch Beseitigung des Unterholzes, der Hecken und Sträucher sowie alter kränklicher Bäume, durch Wasserregulierungen und Entwässerungen den Vögeln unentbehrliche Lebensbedingungen. Hier gilt es vielfach in den heutigen "Kultursteppen" wenigstens kleine Oasen als Stützpunkte unberührter Natur zu erhalten oder zu schaffen. In rühriger Tätigkeit hat der Bund sich solche Schutzgebiete in fast allen Bundesstaaten Deutschlands geschaffen (Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden usf.) und auch die Seevögel der Ost- und Nordsee nicht darüber vergessen.

Besonders wertvoll für die Mitglieder ist die Berechtigung, sämtliche Vogelschutzartikel, sowohl Nisthöhlen wie Fütterungseinrichtungen und Futter zum Selbstkostenpreise von der Geschäftsstelle beziehen zu dürfen. Die Leitung des Bundes ist bemüht, das beste bei billigem Preise zu bieten und erreicht dies durch eigene streng überwachte Anfertigung. Bereitwilligst wird Auskunft in allen Fragen des Vogelschutzes erteilt, und Beihilfe zum Anlegen von Freistätten zugesichert.

Vogelschutz und Vogelkunde sollen Hand in Hand gehen, der Bund bietet daher seinen Mitgliedern kostenlos eine entsprechende Druckschrift, deren buchhändlerischer Wert allein den Beitrag übersteigt. Durch Aussetzungen von Belohnungen unterstützt er strenge Durchführung der Vogelschutzgesetze; eine ausgedehnte, aufklärende Arbeit durch Vorträge, Lichtschauspiele, Ausstellungen, Flugschriften, Ausflüge sowie die Pflege des Zusammengehörigkeitsgefühls aller Vereine mit ähnlichen Bestrebungen kommt ebenfalls dem Vogelschutz zu gute.

Jedem für die Sache Begeisterten, ist es ein Leichtes, dem Bunde Hunderte neuer Mitglieder zuzuführen.

- Beitrag jährlich mindestens 50 Pfg. oder 10 Mk. für Lebenszeit. Nähere Auskunft: Hauptstelle Stuttgart, Jägerstraße 34. -

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Noch ist es nicht zu spät,
aber die Vögel vermindern sich in erschreckender Weise, fast alljährlich werden ihrer weniger. Nehme das ja niemand leicht, denn der Verlust trifft jeden von uns, nicht nur den Liebhaber und Tierfreund, nicht nur den Forstmann und Landwirt, wenn auch gerade für diese die Bedeutung der nützlichen Vögel groß ist, haben doch schlagende Resultate bewiesen, daß Wald und Garten größere und regelmäßigere Ernten ergeben, wenn genügend Vögel da sind, dem Insektenfraß zu steuern. Es handelt sich aber nicht allein um den Verlust wichtiger Kulturförderer, auf dem Spiele steht vielmehr die Schönheit und Eigenart unseres Vaterlandes.

Uns droht die Verödung unserer Heimat!

Mit den Vögeln würde Wald und Flur ihren Hauptreiz und ihr frischestes Leben verlieren. In den Vogelstimmen spricht die Natur in ihren lieblichsten und verständlichsten Lauten zu uns. Was wäre der Wald ohne Finkenschlag, das Feld ohne Lerchensang, die blühenden Hecken ohne die Grasmücke! Und wahrlich, wenn wir uns nicht bald rühren, dann verstummt bei uns der Nachtigall süßes Lied für ewig! Und wir können helfen, denn wir allein sind an der Ausrottung der Vögel schuld, nicht Wiesel, Marder oder Eichhörnchen, Habicht, Würger oder Häher. Die poesie- und verständnislosen Schiesser, die jeden Raubvogel niederknallen, sind Feinde des Vogelschutzes, sie berauben die Natur schöner, charakteristischer und seltener Gestalten und stören ihr Gleichgewicht, in dem auch das Raubtier, das durch das Wegfangen der kranken Tiere der Gesundheit des Ganzen dient, eine wichtige Rolle spielt. Sorgen wir, daß solchen Schießern das Handwerk gelegt wird, sorgen wir, daß unsere Frauen sich ihre Hüte nicht mit Eulen und Möven schmücken, einem Putz, der gewinnsüchtige Händler veranlaßt, die schönen Tiere zu tausenden über den elend verhungernden Jungen niederzuschießen! Und sorgen wir vor allem dafür, daß die Vögel wieder Nistgelegenheiten finden können, denn diese sind es, die Ihnen zu allermeist fehlen! Das Unterholz wird in der Forstwirtschaft, im Land- und Gartenbau weggeschlagen, im Gebüsch allein aber nisten gerade unsere besten Sänger, wie Nachtigall, Rotkehlchen, Grasmücken etc. Die kranken und hohlen Bäume werden gefällt, in Baumhöhlen wohnen aber gerade unsere nützlichsten Vögel wie Meisen, Spechte, Eulen etc. Wollen wir den Rückgang unserer Vögel aufhalten, so ist das weitaus wichtigste, ihnen wieder Brutgelegenheit zu verschaffen. Es geschieht das durch Anpflanzen von dichtem, dornendurchsetzem Gebüsch und durch Aufhängen von "Nisthöhlen". Doch sind nur ausgebohrte, aus einem Stück Baumstamm gefertigte zu nehmen. Da aber, wo die Natur so unerbitterlich vorschreitet, dass sie schöne und seltene Vogelarten in ihrem Dasein bedroht, müssen Ländereien angekauft werden. Diese sollen Vogelfreistätten werden, von ihnen sollen immer wieder neue Scharen unserer Lieblinge ausfliegen, weite Strecken verschönernd, und sie sollen dem entzückten Beschauer das erhabene Bild einer von Ausnützung und Verstümmelung freien, urwüchsigen Natur bieten. Das alles wird aber nur dann dauernden Erfolg haben, wenn unser ganzes Volk weiss, was es an den Vögeln, was an der Natur überhaupt hat. Wahrlich, traurig ist es zu sehen, wie wenig der Deutsche das blühende Antlitz der Heimaterde kennt! Wer sein Volk liebt, der will ihm nicht nur das materielle Leben verbessern, er will ihm auch seine Ideale erhalten. Welche Ideale aber kann das Volk pflegen? Kunst und Wissenschaft verlangen bald Zeit, bald Geld, bald die Nähe der Stadt. Eine ideale Beschäftigung aber gibt es, die überall und ohne Kosten gepflegt werden kann, die mit der Natur. Auch wird von keiner Schönheit in der Kunst sich der einfache Mann so leicht überzeugen lassen, wie von der Schönheit des Vogelgesanges oder von der Grazie des Rehes. Die Beschäftigung mit der Natur gewährt die gesundeste, reinste, neidloseste Freude, denn vor unserer Allmutter gibt es kein arm und reich, kein hoch und niedrig, sie teilt ihre Gaben an jeden aus, der zu bitten weiß. Lehren wir den Bauern auf das Leben in Wald und Flur zu achten und ihm Verständnis entgegenzubringen, rücken wir den Fabriken und Städten die frische Natur näher und suchen wir den Arbeiter für sie zu gewinnen, dann werden wir unserem Volke die entschwindenden Ideale erhalten, wir werden es vorurteilsfreier und verständiger machen, wir werden ihm seine Heimat lieb machen. Gibt es aber etwas besseres für das Gedeihen eines Staates, als die Vaterlandsliebe seiner Bürger? Diesen herrlichen Zielen zuzustreben, hat sich der Bund für Vogelschutz, Geschäftsstelle Stuttgart, Jägerstraße 34, zur Aufgabe gemacht. Er will unserem ganzen Volk die erste Stufe sein auf der breiten Treppe, die der Naturliebe und Naturerkenntnis zuführt. Darum fordert er den geringsten Jahresbeitrag, nur 50 Pfennige. Wer daher mit dem Grundsatz des Bundes:

Unserer Heimat soll ihre Schönheit und Eigenart erhalten werden, unser Volk soll gelehrt werden, dieselbe zu lieben und zu verstehen

einverstanden ist, wes Standes und Landes er auch sei, er trete dem Bunde bei.

Dr. Konrad Guenther, Privatdozent an der Universität Freiburg i. Br.
Frau Lina Hähnle, 1. Vorsitzende des Bundes f. Vogelschutz.
Regierungs- und Forstrat a.D. Jacobi v. Wangelin, Ehrenvorsitzender d. d. Vereins z. Schutze der Vogelwelt e.V.
Dr. Carl R. Hennicke, II. Vorsitz. Des deutschen Vereins zum Schutze d. Vogelwelt e.V.
Hans Freiherr von Ow-Wachdorf, K. Kammerherr, Staatsrat, Exz, Stuttgart.
Geheimrat Dr. Conwentz, Staatl. Kommissar f. Naturdenkmalpfl. in Preußen.
Franz von Defregger, K. Akademie-Professor, München.
Frau Baronin Marie v. Ebner-Eschenbach, Wien.
Dr. Carl Johannes Fuchs, Prof. d. Nationalökon. Tübingen, Vorstandsmitglied des Deutsch. u. Württemb. B. f. Heimatschutz.
Dr. Ernst Haeckel, Prof. d. Zoologie, Jena, Exzellenz.
Dr. Gerhart Hauptmann, Agnetendorf.
Dr. Paul Heyse, München.
Engelbert Humperdinck, Professor, Berlin
Friedrich August von Kaulbach, K. Akademie-Professor, München.
Ernst Ritter von Possart, K. bayer. Generalintendant u. Professor.
Dr. Georg Schweinfurth, Professor, Berlin.
Franz von Stuck, K. Akad.-Prof., München.
Hermann Sudermann, Blankensee (Mark).
Frau Baronin Bertha von Suttner, Wien.
Dr. Hans Thoma, Professor, Karlsruhe.
Dr. Wilhelm Waldeyer, Professor der Anatomie, Berlin, Geh. Medizinalrat.
Geh. Baurat Paul Wallot, Professor, Dresden.
Dr. August Weismann, Professor der Zoologie, Freiburg i.B., Excellenz.


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