NABU historisch: Rechenschaftsbericht 1942/43 bis 1945/46


Bericht Hermann Hähnles über die Geschäftsjahre 1942/43 bis 1945/46 an die Hauptversammlung des BfV am 2.11.46 in Stuttgart
(Rechtschreibung und Zeichensetzung nach dem Original, offensichtliche Tippfehler sind korrigiert)

Am 7. November 1942 sind wir zum letztenmale zusammengekommen, um Rechenschaft abzulegen über die Tätigkeit des Bundes.

Bei der Gründungsversammlung habe ich im Juli ds. Js. im wesentlichen darüber berichtet, wie der Bund den totalen Zusammenbruch und das Kriegsende überstanden hat, welch' unersetzliche Verluste auch wir durch das Kriegsgeschehen erleiden mussten. Es ist noch die Pflicht zu erfüllen, Bericht zu erstatten über die von uns geleisteten Arbeiten im Interesse unserer kulturellen Aufgabe während der verflossenen 4 Jahre. Ich darf mich wohl kurz fassen, bemerke aber, dass wir zu jeder gewünschten Auskunft über einzelne Fragen und Punkte gerne bereit sind.

Im Vordergrund stand und steht bis heute: die Erhaltung der natürlichen Helfer bei der Schädlingsbekämpfung im ernährungswirtschaftlichen Interesse. Unsere Insektenfresser sind unsere Sorgenkinder, denn es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, ihnen über die Härte des Winters hinüberzuhelfen, weil es an Fettfutter, Hanfsamen und Sonnenblumenkernen fehlt. Wir haben angeregt, dass in den Ortsgruppen alles, was an Samen und Früchten in Feld und Wald als Ersatz zu finden ist, gesammelt wird, um so die Notzeit wenigstens einigermaßen überbrücken zu können.

Als zweite wichtige Aufgabe ist die Sperlingsbekämpfung anzusehen. Im Geschäftsjahr 1942/43 beteiligten sich 200 örtliche Gruppen neben den einzelnen Landesgruppen an der Lösung dieser Aufgabe.

Der Bedarf in Vogelschutzgeräten konnte im grossen Ganzen gedeckt werden, noch im Jahre 1944 wurden rund je 5000 Futterhäus'chen und Nistkasten durch die Geschäftsstelle Giengen abgegeben. Auch jetzt sind Geräte lieferbar. Unsere Zeitschrift "Deutsche Vogelwelt" konnte bis Ende 1944 fortgeführt werden. Wir stehen z.Zt. vor der Frage einer Neuherausgabe. Die Schutztätigkeit war weiter ausgebaut worden: Unsere Gruppe Köln übernahm im Jahre 1943 im Refrather Wald ein 300 Morgen grosses Gelände und weitere 450 ha Waldgebiete wurden durch uns übernommen, in der Hauptsache im Land Sachsen (Meissen) und in Hannover-Braunschweig. Die Pacht wurde durch Lieferung von Nistkasten und Futter gedeckt. Für den Schutz der Graugans konnte durch Sicherung der Brutstätten in Pommern ein wesentlicher Beitrag geleistet werden. Der Bepflanzung von Strassenböschungen mit Hecken und Sträuchern ist durch verschiedene Mitarbeiter volle Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die Schutzgebiete Fallersleben, Hettstedt, Aschaffenburg, Heiden, Meissen, Mettnau, Schwieberdingen und Spaichingen wurden mit einer grösseren Zahl Nistkasten versorgt.

Anläßlich des 75. Geburtstages unseres Beiratsmitgliedes Universitätsprofessor Dr. Guenther-Freiburg sollte ein Guenther-Hain bei Freiburg geschaffen werden. Herr Prof. Guenther hatte selbst dafür die Vorarbeiten übernommen, ob und wann es möglich sein wird, den Hain zu schaffen, wird der Zukunft vorbehalten werden müssen. - Einige Verbotstafeln wurden angefertigt und in den Gebieten aufgestellt. Für Trischen konnte kein Wärter bestellt werden; der frühere Gutspächter ist abgezogen, da die Befestigungsarbeiten auf der Insel eingestellt worden waren und ein ferneres Verbleiben der Pächter während der Winterszeit nur mit Lebensgefahr möglich ist. Die Hamburger Hallig ist durch Herrn Mommsen ständig betreut und weist gute Brutergebnisse auf. Auch die Beaufsichtigung der Werder-Inseln war möglich gewesen, doch wissen wir über die jetzige Beschaffenheit der Seevogelfreistätten nichts genaues.

Die Landesgruppe Niederschlesien mit ihren rund 14500 Mitgliedern ist zerbrochen, der Landesbund Bayern in Aufbau, ebenso ein Landesbund Hannover. Ueberall sind Ansätze zum Aufbau und bis jetzt zum Teil ganz ausgezeichnete Erfolge. Man ersieht daraus, dass unser Volk weiss, welches Gut ihm in seiner Heimatnatur verblieben ist und dass es gilt, dieses als einen der wertvollsten Besitze zu pflegen und zu schützen.

Die Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben ergibt Folgendes:

im Geschäftsjahr 1942/43 einen Gesamtumsatz von RM. 119.550,59
" " " 1943/44 " " " " RM. 106.470,27
" " " 1944/45 " " " " RM. 35.664.83
und " " " 1945/45 " " " " RM. 29.088,80.

Viele unserer verdienten und treuen Mitarbeiter sind verstorben:
unser Beiratsmitglied, Oberforstmeister Prof. Dr. Schinzinger, Ueberl.
der Wärter unseres Schutzgebietes Löwenstedter Heide, Chr. Christiansen,
die Vorsitzenden der Gruppen:
Altenburg/Thür. Herr Dr. Klingelhöfer,
Eislingen " Andreas Schleicher,
Göttingen-Land " Bernhard Quantz,
Sulz a. Neckar " Oberforstmeister Schmid, anno 1942/43,
Dürrmenz-Mühlacker " Dr. med. Hebenstreit,
Kiel " Professor Dr. O. Meder,
Krumhermersdorf " Ihle,
Wolkenstein " Vogel anno 1943/44,

Unser Delegierter, Freiherr von Thünen, Berlin, ist seinem mehrjährigen, schweren Leiden erlegen. Mit besonderem Dank gedenken wir seiner, der in langen Jahren treuer Mitarbeit wesentliche Anteile an den Erfolgen unsere Bundes hat. Er verstarb im Geschäftsjahr 1943/44, während unser Beiratsmitglied, Fräulein Erika [?]ress, Stuttgart im Jahre 1945 verstarb. Wer sie uns ihr selbstloses Wirken kannte, weiss was wir an ihr verloren haben. Auch Herr Landwirtschaftsrat Keller Halle/Saale, Geschäftsführer des Landesbundes Sachsen-Anhalt ist im Jahr 1945 verschieden, ebenso Herr Apotheker Viktor Marssen, Vorstandsmitglied der Gruppe Berlin. Schmerzlich ist es für uns, dass all diese Getreuen, denen der Vogelschutz Herzenssache war, nicht mehr sind.

Die Vorsitzenden der Gruppen
Freiburg/Br.gau, Herr Museumsdirektor Dr. Schüz,
Deggingen, " Georg Späth,
Riedlingen/Donau, " Stadtpfleger a.D. Völkle, sind ebenfalls im Geschäftsjahr 1944/45 entschlafen, während die Vorsitzenden der Gruppen
Wangen/Allgäu, Herrn Mierin und
Pfullingen, " Stadtpfleger Fried
im Geschäftsjahr 1945/46 in die Ewigkeit abberufen wurden.

Unser Beirats- und Gründungsmitglied, Frau Obermedizinalrat von Burckhardt, Stuttgart ist im Jahre 1946 verstorben.

Unter den im Kriege Vermissten befindet sich Herr Albrecht Schittenhelm, einer unserer treuesten Anhänger, der durch seine selbstlose Mitarbeit - insbesondere auch bei den Vogelführungen vielen Deutschen die Augen für die Schönheiten der Natur geöffnet hat.
Auch Legate sind dem Bund zugefallen. Frau Böhm, Kupferberg hat im Andenken an ihren gefallenen Sohn uns RM. 100,-- übermittelt.

Unser Berliner Mitglied, Fräulein Marie Albrecht ist durch Fliegerangriff ums Leben gekommen; eine letztwillige Verfügung bestimmt im Falle des Ablebens der Schwester Elisabeth Albrecht, die gleichzeitig tödlich verunglückte, dass die Deutsche Bergwacht, Landesführung Bayern, die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und unser Bund je 1/3 des Nachlasses erben. Die Abwicklung der Nachlass-Angelegenheit haben wir Herrn Ficker, Plaue übertragen, der denn auch unseren Anteil mit RM. 625,- bereits ausbezahlt erhalten hat, was für ihn eine wesentliche Erleichterung für die Betreuung der im russisch besetzten Gebiet liegenden Schutzgebiete des Bundes bedeutet.

Wir gedenken unserer entschlafenen und durch Kriegseinwirkung verstorbenen Mitarbeiter und Mitglieder in herzlicher Dankbarkeit und Treue.

Zum Schluß möchte ich noch auf unsere Arbeiten in der staatlich anerkannten Versuchs- und Musterstation Steckby b. Zerbst näher eingehen. Sie konnten trotz aller zeitbedingten Schwierigkeiten und trotz schwerer Verluste infolge des Krieges weitergeführt werden, wenn auch zeitweilig in kleinstem Umfange, aber doch lückenlos. Es ist uns in jahrzehntelanger wissenschaftlicher Arbeit gelungen, den Beweis zu erbringen, dass sachgemäss betriebener Vogelschutz der Forstwirtschaft in der Schädlingsbekämpfung bei dem Vorkommen des Kiefernspanners ausreichenden Erfolg sichert. Einzelheiten darüber sind durch die Geschäftsstelle Giengen/Brenz zu erfahren. Herr Dr. Berndt befindet sich in England als amerikanischer Kriegsgefangener.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr haben wir die Betreuung der Nistkasten der Stadt Stuttgart zusammen mit einem Angestellt. der Stadt übernommen. Gerade in dieser Notzeit ist es doppelt wichtig, dass Vorhandenes ausgebessert und instand gehalten wird, wenn es sich auch um eine mühevolle Arbeit handelte. Wir stellen mit Genugtuung fest, dass uns dies in dem angeführten Fall gelungen ist.. und gerade da, wo der Sitz des Bundes ist, der durch seine Jahrzehnte langen Bemühungen viele schöne und bleibende Erfolge dank der steten Einsatzbereitschaft seiner Mitarbeiter und Mitglieder zu erringen vermochte.

Wieder stehen wir vor einem Anfang; was bereits an abgerissenen Fäden neu geknüpft werden konnte, haben wir bei der Gründungsversammlung im Juli und in unserem Rundschreiben mitgeteilt. Erfolge sind wieder zu verzeichnen. Meine Ausführungen möchte ich schließen mit der herzlichen Bitte: Helfen Sie alle mit, dass unser Bund die Notjahre überstehen und seine Schutztätigkeit uneingeschränkt weiterführen kann, Sie dienen damit sich selbst - und der Allgemeinheit!


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