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Das NABU-Naturschutzzentrum Rheinauen in Bingen
Schon die Anreise ist ein Genuss. Nähert man sich Bingen im Frühjahr von Osten, führt die Route hinter Mainz durch ein Blütenmeer von Obstwiesen, rechter Hand im Hintergrund grüßen die Riesling-Weinberge des Rheingaus.
Noch spektakulärer zeigt sich die Landschaft jenen, die den Weg von Nordwesten durch das enge Mittelrheintal nehmen, vorbei an der Lorelei und unzähligen Burgen. Vor 200 Jahren haben britische Reisende den "romantischen Rhein" für sich und die Welt entdeckt, hier fanden sie ihre Ideallandschaft. Selbst ohne romantische Anwandlungen fasziniert das Rheintal noch heute zu jeder Jahreszeit.
Gleich hinterm Mäuseturm...
Nach der letzten Flussschleife bei Assmannshausen kündigt mitten im Rhein der ockergelbe Mäuseturm Bingen an. Zwei weitere Stationen mit dem Bummelzug und Gaulsheim ist erreicht. Hier haben die Aktiven der NABU-Gruppe bereits 1982 ihr Rheinauenzentrum errichtet. In einem Nachbarort wurde der ehemalige Schulpavillon abgebaut und an den Ortsrand von Gaulsheim verfrachtet.
"Unser Raumangebot ist begrenzt", bedauert Diplom-Geograph Robert Egeling, der das Zentrum leitet. "Auf eine große Dauerausstellung über die Rheinauen müssen wir deshalb verzichten." Also hat Egeling zusammen mit dem Zivi, den FÖJlern und den Aktiven des Binger NABU die "Ausstellung" ins Freie verlegt. Im Naturgarten rund um das Gebäude gibt es neben Kräuterspirale, Nistkästen und Komposthaufen mit Kopfweiden und Tümpeln auch Elemente der Auenlandschaft im Kleinen zu bestaunen.
Austausch zwischen den Generationen
Große Sprünge kann das Zentrum aus eigenen Mitteln nicht machen. Dennoch will sich Egeling nicht beklagen: "Für gute Ideen findet sich immer auch ein Partner, der einem unter die Arme greift." Bestes Beispiel: das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Landeszentrale für Umweltaufklärung unterstützte "Generationen-Netzwerk Umwelt". Dabei geht es darum, ältere Menschen aktiv einzubinden und den Austausch zwischen den Generationen zu fördern. Das Rheinauenzentrum ist hier gleich mehrfach aktiv. So wurde eine "Jobbörse Natur" eingerichtet, es finden Internet-Kurse für Ältere statt und der NABU vermittelt "Vorlese-Senioren" für Kindergärten und Kindertagesstätten. "Inzwischen ist sogar ein eigenes Laubfrosch-Vorlesebuch entstanden", freut sich Robert Egeling.
Der kleine grüne Wetterprophet spielt im Rheinauenzentrum auch sonst eine wichtige Rolle. Offiziell gilt der Laubfrosch in Bingen als ausgestorben, doch hin und wieder tauchen einzelne Exemplare auf, vielleicht vom Fluss verdriftet oder als Laich in Vogelfedern herangebracht. Als dann sogar im Zentrumspavillon ein kleiner Frosch erschien, stand der Entschluss fest, den Laubfröschen in den Rheinauen wieder eine Heimat zu geben.
Frosch schützt Frösche
Mit Werner & Merz ("Frosch"-Reinigungsmittel) gelang es auch dieses Mal, einen potenten Partner zu gewinnen. Unter dem Motto "Frosch schützt Frösche" ist die Mainzer Firma ein langfristiges Engagement eingegangen, aus dem vor allem Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit finanziert werden.
Das NABU-Zentrum liegt direkt am Rand des Naturschutzgebiets "Fulder-Aue / Ilmen-Aue", bis zum Ufer sind es nur wenige Meter. In der vorgelagerten Flussaue haben der NABU und die Stadt Bingen eine ganze Kette flacher Amphibienteiche angelegt - der Laubfrosch kann also kommen. Das NSG ist Teil des Europareservats "Rhein zwischen Eltville und Bingen", bestehend aus fünf Rheininseln auf 17 Kilometern Flussstrecke und dem angrenzenden Rheinufer. Fast alle in Europa vorkommenden Wasservogelarten treffen auf diesem verhältnismäßig kleinen Raum zusammen, verweilen oder ziehen weiter. Nachtigall, Schwarzer Milan und Pirol sind die Charaktervögel der Rheinauen.
Vogelbeobachtung vom Schiff aus
Der Rhein ist hier etwa 800 Meter breit, die Inseln trennen die Fahrrinne auf der Rüdesheimer Seite von der Ruhezone auf der südlichen Bingener Seite. Mit einem guten Fernglas oder Spektiv lassen sich Kormorane, Gänse und Enten leicht vom Ufer aus beobachten.
Noch besser aber gelingt dies vom Schiff aus. Im Winterhalbjahr, wenn Wasservögel in großer Zahl im Europareservat rasten, bietet der NABU regelmäßig Schiffexkursionen mit der "MS Rheingau" den Inselrhein entlang an. Kenner des Gebietes erklären die vorkommenden Vogelarten sowie touristische und ökologische Sehenswürdigkeiten.
Rund 5.000 Besucher verzeichnet das Rheinauenzentrum im Jahr. Viele von ihnen kommen zu den ebenfalls im Rahmen des Generationen-Netzwerks organisierten Info-Cafes. Bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen stehen die NABU-Aktiven zu Naturschutzthemen Frage und Antwort, außerdem gibt es kleine Wechselausstellungen.
Um vieles größer ist die Zahl der Naturfreunde und Ausflügler, die bei schönem Wetter die Rheinauen bevölkern. "Ob Spaziergänger, Radfahrer, Skater oder Sonnenbadende - der Druck auf die Natur ist enorm", so Robert Egeling. Die Graugänse am Rheinufer ertragen den Wochenendrummel zwar mit viel Geduld, aber andere Brutvögel oder die Überwinterer kommen mit dem Besucherdruck weniger gut zurecht. "Wir brauchen im Prinzip Naturschutzwarte wie in anderen Schutzgebieten auch", meint Egeling. Wenn alles klappt, werden tatsächlich bald Rheinauen-Ranger per Fahrrad zwischen Mainz und Bingen patrouillieren - schließlich ist der Mittelrhein inzwischen sogar von der UNESCO anerkanntes Weltnaturerbe-Gebiet.